Aus dem Ausland zum Erfolg
Zuwanderer und Deutsche aus Zuwandererfamilien sind auf der Führungsebene in Unternehmen oder als Start-up-Gründer selten. Aber es gibt Ausnahmen. Sie haben viel zu erzählen über Hindernisse, Fehleinschätzungen und unerwartete Karrieren.
Frankfurt, 22. Oktober 2022
„Ich musste früh Resilienz entwickeln.“ Mit sechs Jahren kommt Yeliz Kavak-Küstner, Jahrgang 1975, mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland – als drittes von fünf Geschwistern. Sie wird in Ludwigsburg sofort eingeschult, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Und sie fühlt sich zunächst nicht nur wegen ihrer Herkunft einer Minderheit zugehörig: Nach der Geburt infizierte sie sich mit Polio, hat deshalb von klein auf eine Gehbehinderung. Ihr Vater sorgt als Maurermeister für den Unterhalt der Familie, die Mutter kümmert sich zu Hause um die Kinder. „Sie ist in Anatolien geboren und konnte damals als Frau nur eine Elementarschule besuchen. Aber sie wollte selbst so schnell wie möglich die Sprache lernen – wir durften nach der Ankunft nur noch deutsch mit ihr reden. Ihr war klar, dass Bildung und Anpassung Schlüssel zu Integration und Erfolg sind. Und dass wir uns mehr anstrengen müssen als die Einheimischen.“ Dennoch gehen Mutter und Tochter auch eigene Wege. Als Kavak-Küstner wegen ihrer körperlichen Einschränkung auf eine Förderschule gehen soll, stellt sich die Mutter quer: „Meine Tochter hat was am Bein, nicht am Kopf.“ Auf der Gesamtschule tut sie sich trotz Gymnasialempfehlung später allerdings schwer, wechselt freiwillig auf die Hauptschule, macht dort ihren Abschluss, bewirbt sich für eine kaufmännische Ausbildung. „Ich wurde allerdings gefragt ob ich Kaffee serviere, das müssten alle Azubis. Da habe ich beschlossen, zu studieren, denn wenn das eine Bedingung ist, ist das nicht der richtige Weg für mich.“ Kavak-Küstner holt nun doch das Abitur nach, absolviert ein Dolmetscher-Studium in Französisch und Englisch, lernt Studierende aus anderen Ländern kennen. „Das war sehr bereichernd. Und toll zu sehen, wie positiv kulturelle Vielfalt in diesem Umfeld bewertet wurde.“ Dennoch will sie nach dem Studium nicht als Übersetzerin arbeiten, sucht mehr Abwechslung. Sie startet als Quereinsteigerin in der Marketingabteilung eines großen Energieunternehmens, fängt danach im internationalen Logistikunternehmen pfenning logistics an. Seit 11 Jahren ist sie nun bei ihrem jetzigen Arbeitgeber, mittlerweile hat sie es bis zur Leiterin Marketing, Kommunikation und Corporate Branding gebracht. Die flachen Hierarchien eines Mittelständlers liegen ihr, sagt sie. „Ich möchte selbst etwas gestalten können.“ So wie sie als Kind viel Zeit in der Stadtbücherei verbracht hat, anstatt sich zu grämen, keinen Sport machen zu können, hofft sie, mit ihrer Geschichte andere Menschen zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu gehen – „und sich auf ihre Stärken zu konzentrieren.“
Den gesamten Artikel von Eva Heidenfelder aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Abonnement erforderlich) lesen Sie hier.